Wenn Johannes Ehrnsperger über seinen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel spricht, sagt er gleich immer dazu, was diesbezüglich alles noch nicht passiert ist in seiner Brauerei. Dabei ist die Neumarkter Brauerei Lammsbräu mit ihrem Biobier schon jetzt ein echter Oberpfälzer Beispielgeber in Sachen Nachhaltigkeit.
Als die Neumarkter Lammsbräu sich 2012 mit dem Thema CO2-Vermeidung erstmals im Detail beschäftigt hat, wurde ein Plan entwickelt, der bis heute zielgerichtet verfolgt wird. „Unseren ersten CO2-Fußabdruck haben wir mit der Uni Augsburg erstellt“, sagt Johannes Ehrnsperger. Scope 1 und 2 waren dabei Schwerpunkt. Bei Scope 1 werden direkte Emissionen aus dem Betrieb erfasst, in der Brauerei betrifft das etwa das Heizen im Sudhaus. Scope 2 beschreibt die indirekte CO2-Verursachung, zum Beispiel für den in Neumarkt benötigten Strom. Und dann gibt es noch Scope 3, dabei geht es um die Emissionen aus der Lieferkette heraus – wobei Johannes Ehrnsperger hier selbstkritisch anmerkt, dass diese auf Grund der Vielzahl der Akteure nicht vollumfänglich beleuchtet werden konnte. So konzentrierte man sich auf die Rohstoff-Zulieferkette sowie repräsentativ auf die größten Händler in der nachgelagerten Wertschöpfungskette. Wenn man bedenkt, wie komplex sich schon bei einer kleinen Brauerei mit nur drei Prozent internationalem Geschäft diese Zusammenhänge gestalten, war diese Entscheidung verständlich und sinnvoll. Wer sich schon bei der Analyse verzettelt, kommt erst gar nicht mehr an den Punkt, ab dem gehandelt wird.
Ehrgeizig: 11.500 Tonnen CO2
Auf Basis der wissenschaftlich erfassten Zahlen wurde dann ein konkretes Ziel festgelegt, das mit ebenso konkreten Maßnahmen hinterlegt war. „Unser Ziel war es, 11.500 Tonnen bis 2025 einzusparen.“
Schritt für Schritt wurden Lösungen gesucht und umgesetzt. Weil Bier auf seinem Weg in die Flasche viel Energie in Form von Wärme braucht, arbeitet im Sudhaus von Lammsbräu inzwischen beispielsweise ein Vakuumverdampfer, der dem Kochen die besonders energieaufwändigen letzten paar Grad abnimmt. Um Prozesse zu bedienen, die keine 140 Grad Hochdruckheißwasser benötigen, wird gerade ein 90 Grad-Netz eingebaut.
Hier eingebunden werden soll zukünftig auch eine Mikrogasturbine, die aktuell schon Strom erzeugt. Ehrnsperger gesteht ehrlich, dass dort noch fossil geheizt wird. „Wir haben da zwar umgerüstet von Öl auf Gas und sehr effiziente Brennertechnologie eingesetzt, aber bis dato ist das noch Erdgas. Umso mehr ist es uns ein Anliegen, diesen fossilen Rohstoff so effizient wie möglich zu nutzen.“
Neben der Optimierung in der Produktion ist eine zentrale Stellschraube zur CO2-Vermeidung die Reduzierung des nötigen Verkehrs. „Die Hauptkomponente ist für uns dabei ökologischer Landbau direkt in der Region mit extrem kurzen Lieferketten. Darauf bauen wir nicht nur wegen der CO2-Vermeidung schon seit Jahrzehnten“. 170 Bauern fahren maximal 150 Kilometer zur eigenen Mälzerei am Unternehmensstandort. Das Malz rutscht dann nur noch über ein hausinternes Fördersystem weiter in die Produktion.
Alle Maßnahmen des Bio-Pioniers werden dabei ständig mit externer Expertise bewertet und die Etappenziele werden an neue Erkenntnisse angepasst. So sei das Anfangsziel 11.500 Tonnen CO2 einzusparen noch nicht genug in „das große Ganze“ eingebettet gewesen. Ehrnsperger hat hier aber Abhilfe gefunden: Das Stichwort, das heute die Richtschnur für sein Handeln vorgibt: die so genannten Science Based Targets. Das sind wissenschaftlich ermittelte Ziele bezogen auf Branchen und Industriesektoren, die sich an den global von der Politik gesetzten Vorgaben orientieren. „Da kann man dann auf sein Unternehmen herunterbrechen, wieviel CO2 muss ich bis 2030, bis 2050 einsparen, um zum 1,5 Grad- oder 2 Gradziel beitragen zu können.“
Nach dem Ziel ist vor dem Ziel
Ehrnsperger und seine Kollegen haben schon viel geschafft. „Seit 2014 sind wir klimaneutral für Scope 1 und 2 gestellt.“ Aber das eigentliche Ziel in Neumarkt ist wissenschaftlich schwerer zu fassen. Eine enkeltaugliche Welt will der Unternehmer erreichen. Man merkt, dass er diesen Begriff schon öfter gebraucht hat, wenn er erklären will, worum es ihm im Kern geht.
Unternehmerisch nachhaltig bezieht man in seinem Traditionsbetrieb eben auch auf das große Ganze. Der Mittelstand bewegt sich hier leichter und schneller als die Großindustrie. „Ich denke, wir können Weichen besser stellen, als das mancher Konzern tut.“ Wenn der Chef will, dann geht das im Mittelstand. „Das ist der Vorteil eines familiengeführten Unternehmens. Wir sehen Dinge langfristig und nicht in Quartalszahlen. Ich bin die siebte Generation Familie Ehrnsperger.“
Er will einen Beitrag leisten, sagt Johannes Ehrnsperger. „Wir wollen Pioniere sein, wir wollen vorangehen.“ Unter Brauerkollegen gehe man sehr offen miteinander um. So müsse nicht jeder das Rad neu erfinden. Aber es helfe auch, in der Wissenschaft externe Unterstützung zu finden. Der Neumarkter Bio-Brauer will so viele mitnehmen auf seinem Weg wie nur irgend möglich. Das Ziel ist klar: „Wir haben als Unternehmen die Vision von 100 Prozent ökologischem Landbau. Aber wenn nur wir alleine uns dafür einsetzen, dann wird es nicht reichen. Da braucht es noch ganz viele andere Unterstützer in allen Bereichen. Mit Blick auf Klima und Umwelt: Es ist eher fünf nach zwölf. Wir müssen Zeit aufholen.“
(Autor: Wolfgang Spornraft)