Als Klimadiktator kann man sich Klaus Nagl mit seinem Bart, dem Rasta-Dutt und einem kleinen Dauerlächeln, fest verankert in den Mundwinkeln, schwer vorstellen. Entschlossen und qualifiziert genug dazu wäre er. Als Vater hat er auch hinlänglich Motivation, sich dem Klimawandel entgegenzustellen. Darum ist er Unternehmer geworden und hat die Regensburger Firma Consolinno gegründet, um die Nutzung regenerativer Energien voranzutreiben.
Ob er ein Fatalist ist? „So wie es ist, so ist es halt“, antwortet Klaus Nagl. Das heißt bei ihm aber noch lange nicht, dass es „so“ auch bleiben muss. Damals vor vier Jahren beim Spaziergehen mit dem Nachbarn während der Doktorandenzeit gegründet, bedient das Startup, bei dem aktuell 66 Personen arbeiten, die Energiewelt mit Software und Hardware, die auf Künstlicher Intelligenz (KI) basiert.
Consolinno will die Energiewende für alle Mieter ermöglichen
Klimaschutz durch Energiewende und deren gelingen „Intelligente Lastverschiebung“ und „Intelligente Lösungen“ ist ein Kernanliegen in der Regensburger Franz-Mayer-Straße 1. „Es geht darum, Energie dann zu verbrauchen, wenn viel Energie da ist. Und wenig zu Zeiten, wo wenig Energie aus den Regenerativen erzeugt wird.“ Künstliche Intelligenz auf unserem Leaflet verwaltet den Stromverbrauch beim Einfamilienhaus mit Photovoltaik auf dem Dach, einer Wärmepumpe im Keller und einer Stromtankstelle in der Garage.
Aber auch die Mieter in Mehrfamilienhäusern sollen und können Teil der Energiewende sein, z.B. ist auch die Abrechnung und Verwaltung von Mieterstrom bei Consolinno im Portfolio. „Hier arbeiten wir gerne mit Partnern zusammen und unterstützen in allen Belangen damit die Energiewende auch für alle Mieter und nicht nur die Einfamilienhausbesitzer möglich wird.“
Neue Technologien könnten bessere Strukturen im Stromnetz schaffen
Wenn Nagl von Blockchain redet, dann nicht um irgendeine digitale Luftwährung zu erzocken. Die Blockchain-Technologie möchte Nagl dazu nutzen, eine Art Mikrostrommarkt zu schaffen. Das Problem bei Strom aktuell: Es gibt, ganz grob gesagt, ein Netz und dort wird eingespeist und verbraucht. Mit der Blockchain-Technologie ließe sich aus diesem trüben Teich eine Art strukturiertes Warenhaus mit Regalen machen, in das Strom paketweise abgelegt und herausgenommen werden kann.
Digitale Markierungen könnten jede produzierte Kilowattstunde kennzeichnen – ob aus der Biogasanlage des Bauernhofes aus dem nächsten Dorf, oder von einer Photovoltaikanlage auf dem Dach des Nachbarn. Diese codierte Kilowattstunde, sozusagen das Paket, könnte dann einem Verbraucher zugeordnet werden. Statt diffusem Zu- und Abfluss in und aus dem Netz ergibt sich so ein strukturierter Warenverkehr, mit handelbaren Einheiten.
Blockchain-Markierungen eröffnen Markt für Kleinanlagen
„Und dann sag ich, es wäre doch eine schöne Geschichte den nachweislich regional und billig erzeugten Strom vom Nachbarn, vom Windrad ums Eck, oder vom Biogasbauern zu beziehen wo man vielleicht auch noch die Eier kauft, allein bei den Landwirten sind zig Megawatt Erzeugerleistung zum Verteilen vorhanden.
So ein Blockchain-basierter Herkunftsnachweis und Handelsmechanismus für den Strom aus der Steckdose hätte auch das Zeug, einen Markt für all die älteren Kleinanlagen zu schaffen, die inzwischen aus der EEG-Umlage herausgefallen sind und keine Einspeisevergütung mehr erhalten. Wenn hier keine Lösung gefunden wird, wird vielerorts voll funktionsfähige und amortisierte, klimafreundliche Stromerzeugung einfach abgeschaltet. Und das ärgert Nagl: „Ihren PV-Strom vom Dach sollten sie eigentlich ihrem Nachbarn verkaufen können. Punktausende.“
Für Klaus Nagl ist die Energiewende kein leichtes Ziel – aber erreichbar
Das geht? Das geht auf einem Markt, der dank Blockchain nicht manipulierbar gestaltet werden könnte. Dieses Verfahren ist bewiesenermaßen sicher genug, dass darüber sogar eine eigene Währung, etwa Bitcoin, verwaltet werden kann. Das sei aber noch Zukunftsmusik. „Wir bringen den Nachweis, dass es geht und versuchen dann, das in die Politik reinzuspielen und dann müssen wir zeigen wir das geht am Land genau so gut wie in der Stadt und es können wieder alle davon profitieren.
Hier fängt bei Nagl – wenn schon nicht der Fatalismus – dann doch der Realismus an. „Aktuell sei das Themenfeld vor allem auch regulatorisch komplex – Wörter wie Smart Meter Rollout, bidirektionales Laden, regionaler Strommarkt, Blockchain und weitere Themen sinnvoll miteinander zu verknüpfen oder nebeneinander einzuordnen und daraus die Energiewende zu zaubern sei kein leichtes Thema, aber wir müssen es schaffen“, sagt er.
Ökologische Ausrichtung kann für ökonomisches Wachstum sorgen
Trotzdem glaubt Nagl daran, dass die Energiewende möglich ist. Der vielleicht beste Beweis für diese These: „Wir verdienen unser Geld damit, dass wir Klimaschutz machen.“ Die wesentlichen Produkte von Nagl steuern, verwalten, analysieren und optimieren Stromverbrauch. Weniger Strom kostet weniger Geld produziert weniger CO2. Seine Aufgabe sieht er aktuell aber auch darin zu zeigen, was technisch möglich ist. Für die Consolinno wäre das ein Zukunftsmarkt.
Die Technologie, um dem Klimawandel zu begegnen? „Die ist da, alles da!“ Es mischt sich ein Hauch der Verzweiflung in die sonst cool und routiniert abgespulten Antworten. Schwer sei das. „Politisch einfach schwer. Es ist einfach immer noch nicht die Bemühung da, das alles zu durchbrechen.“
Klimaschutz geht leichter ohne Konkurrenzdenken
Doch der Druck im Kessel steigt. Davon ist Nagl überzeugt. Karlsruhe habe das gerade erst bestätigt. Das Klimaschutzgesetz muss – von höchsten deutschen Gericht mit mangelhaft bewertet – nachgebessert werden. Ein kleiner Anfang. Die Fridays-for-Future-Kinder, Umweltinitiativen, engagierte Unternehmer, die Bevölkerung, Wähler.
Mit Blick auf den Klimawandel sieht Nagl aber nur einen Weg: „Es muss schneller gehen, wir müssen schneller Lösungen entwickeln und dann auch auf solche Lösungen setzen und schneller regulatorische Rahmenbedingungen anpassen, zudem sei Konkurrenzdenken in der Sache Klimaschutz total fehl am Platz, die Dinge sind komplex, wir müssen alle Kräfte bündeln und zusammen arbeiten, deswegen stellen wir vieles von uns auch OpenSource, oder machen auch mal was einfach so, gerade haben wir der Baugenossenschaft Margaretenau in Regensburg ehrenamtlich beim Mieterstrom abrechnen geholfen, weil man das auch einfach mal unterstützen muss wenn sich Leute engagieren, zusammenhelfen halt!“
Energiewende: Der strombasierte Weg ist bereits eingeschlagen
Konkret wünscht sich Nagl eine Taskforce. Es müsse Leute geben, „die das schnell und zügig entscheiden können“. Die Roadmap müsse in zwei bis drei Jahren stehen, die schlussendlich das zentrale Problem löse: „Wie kriege ich Kernkraft und Kohle ersetzt bei steigender E-Mobilität und bei einer Wärmewende, die auf Wärmepumpen basiert?“
„Ob ich nebenbei was von Wasserstoff halte oder nicht, das sei an dem Punkt auch mal dahingestellt“, sagt Nagl. Der strombasierte Weg sei von der Regierung bereits unumkehrbar eingeschlagen. Zwei Sektoren, Verkehr und Wärme, die früher wenig Elektrizität gebraucht haben, müssen komplett auf Strom umgestellt werden. Große, grundlastfähige Kraftwerke fallen gleichzeitig weg.
Nagl will jenen Lösungen anbieten, die einen Weg zu mehr Klimaschutz suchen
Eine mächtige Aufgabe. Die Zeit, den Klimawandel ganz abzuwenden ist bereits abgelaufen. Fünf nach zwölf? „Fünf nach zwölf war es schon vor zehn Jahren. Wir müssen schauen, wird es jetzt halb eins oder eins. Bei eins ist es vorbei.“ Deswegen wünscht sich Nagl ein Entscheider-Gremium. Aber er sieht sich selber eher nicht dabei sondern als flinker Lösungsanbieter wenn Entscheidungen stehen. „Schlaue Leute, die das Durchblicken, die das zusammen durchdenken können, vielleicht zudem weniger grantig wie ich“, die sollten da rein. Ein Fahrplan muss her. „Und dann aber los.“
Warum er bei OHA! dabei ist? „Ich finde die Initiative vom Grundgedanken her gut. Auf das Netzwerk bin ich gespannt. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass man die verschiedenen Akteure zusammenbringt. Wir sind Lösungsanbieter und jetzt gibt es da Leute, die vielleicht Lösungen suchen. Wir sind der Thinktank. Wir machen das aus Passion.“ Das mit der Passion, das glaubt man diesem Mann. Sofort.